Hintergrundinformationen zur Gesundheitsprämie
Gesundheitsprämie oder Bürgerversicherung – die Forderung nach einer grundlegenden Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist seit Jahren Bestandteil der politischen Diskussion. Dabei werden neben der Frage nach der Kostendeckung zumeist drei Punkte hervorgehoben, die von der gesetzlichen Krankenversicherung berücksichtigt werden müssen. Hierzu zählen die Bevölkerungsdemographie, die Lohnnebenkosten und die Verteilungsgerechtigkeit der Kosten für die Krankenversicherung auf die Versicherten.
Die aktuellen Reformmodelle – Gesundheitsprämie (Kopfpauschale) und Bürgerversicherung – sind nicht neu. Bereits im Jahr 2003 hatte die Herzog-Kommission unter dem Vorsitz von Altbundespräsident Roman Herzog ein Reformmodell für die GKV erarbeitet. Der im Auftrag der CDU erstellte Kommissionsbericht empfahl die Umstellung der Beitragssätze auf eine Pauschale. Dagegen legte sich die 2003 vom damaligen rot-grünen Gesundheitsministerium eingesetzte Rürup-Kommission nicht fest. Die Entscheidung zwischen Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie wurde an die Regierung weitergereicht.
Mit dem erfolgten Regierungswechsel bei der Bundestagswahl 2009 ist die Einführung einer Gesundheitsprämie wieder auf der politischen Agenda gelandet. Die schwarz-gelbe Regierung verspricht sich von der Gesundheitsprämie mehr Beitragsautonomie der Krankenkassen und mehr Transparenz für die Versicherten. Wettbewerbsstrukturen sollen belebt werden und sich positiv auf Preise und Qualität der Krankenversicherung auswirken. Mit begleitenden Reformmaßnahmen, wie Kosteneinsparungen im Pharmabereich, soll der Weg in eine dauerhaft finanzierbare gesetzliche Krankenversicherung gefunden werden. In diesem Zusammenhang sind aber auch Leistungskürzungen für die Versicherten denkbar.
Für das Jahr 2010 bemisst der Schätzerkreis des Bundesversicherungsamtes (BVA) die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf rund 173,4 Mrd. Euro. Schon jetzt ist klar, dass die Einnahmen der GKV diesen Betrag nicht decken können. Eine geschätzte Finanzierungslücke von 3,1 Mrd. Euro, also gut 2 Prozent der Ausgaben, wird daher auf die Kassen abgewälzt. Die Kassen können einen Zusatzbeitrag von ihren Versicherten einfordern, wenn die ihnen zugewiesenen Gelder nicht zur Kostendeckung ausreichen. Rund 10 Millionen Versicherte sind bereits von Zusatzbeiträgen betroffen. Die steigende Lebenserwartung und der technisch-medizinische Fortschritt werden das Finanzierungsproblem der gesetzlichen Krankenversicherung perspektivisch weiter erhöhen.
Beide politischen Lager versprechen Lösungen und präsentieren Lösungsansätze, die das Gesundheitssystem grundlegend reformieren sollen. Die Konzepte unterscheiden sich allerdings erheblich. Mit der Gesundheitsprämie würde der bisher einkommensabhängige Arbeitnehmeranteil durch einen pauschalen Beitrag ersetzt werden. Die einzelnen Krankenkassen können die Gesundheitsprämie an ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten anpassen. Eine niedrigere Gesundheitsprämie beschert so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Krankenkassen. Für die Arbeitgeber soll es bei einem gehaltsabhängigen Beitrag bleiben, der sich auf das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers bezieht. Dieser Beitragssatz soll aber dauerhaft eingefroren werden. Angesichts der steigenden Gesundheitskosten sei, so die Bundesregierung, diese Abkopplung vom Lohn eine wirtschaftliche Notwendigkeit, um Arbeitsplätze zu erhalten.
Der Grundstein für die Umstellung auf eine Gesundheitsprämie wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP im Oktober 2009 gelegt. Offen bleiben jedoch der Zeitplan für die Umstellung und viele Details der Gesundheitsprämie. Die „Regierungskommission zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens" unter dem Vorsitz von Bundesgesundheitsminister Rösler ist mit der Ausarbeitung der Rahmendaten beauftragt.
Klar ist, dass eine Gesundheitsprämie für gesetzlich Versicherte eingeführt werden soll, die über das Steuersystem sozial ausgeglichen wird. Durch die steuerfinanzierte Prämiensenkung für Geringverdiener ändert sich auch die Methode, mit der die Belastung durch die Gesundheitskosten zwischen armen und reichen Beitragszahlern ausgeglichen wird. Nicht mehr über die einkommensabhängige Beitragshöhe, sondern durch das Steuersystem sollen höhere Einkommensgruppen stärker belastet werden.
Ein Blick auf die Standpunkte der politischen und gesellschaftlichen Akteure offenbart wenig Überraschendes. Im Wesentlichen stellen sich die Akteure an den bekannten Konfliktlinien auf. Befürworter sind neben der Bundesregierung insbesondere die Arbeitgeber- und Industrieverbände, aber auch die zentrale Vertretung der Ärzte, die Bundesärztekammer. Auf der anderen Seite haben sich Sozialdemokraten, die Linke, Gewerkschaften aber auch die Kirchen positioniert. Die Versicherten selbst, also die Bürgen, lehnen die Gesundheitsprämie mehrheitlich ab, das ergeben übereinstimmend diverse Umfragen.
Alternativ zur Gesundheitsprämie bieten SPD, Bündnis 90/die Grünen und Die Linken unter dem Namen solidarische Bürgerversicherung ihr eigenes Konzept zur Reformierung des Gesundheitssystems an. Grundprinzip der Bürgerversicherung ist eine gesetzliche Versicherungspflicht für alle Bürger – also auch bisher Privatversicherte. Der Einkommensbezug der Beiträge soll bestehen bleiben und auf alle Einkommensarten ausgeweitet werden. Es wären also nicht mehr nur das Arbeitseinkommen, sondern auch Zinsen, Aktiengewinne oder Mieteinnahmen beitragspflichtig. Die aktuelle Beitragsbemessungsgrenze, die den Beitrag ab einer bestimmten Höhe nach oben hin deckelt, soll angehoben werden. Die Linken fordern sogar die weitgehende Abschaffung der Beitragsdeckelung.
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